Vor ein paar Jahren, als wir alle noch Singles waren, da hatte eine Freundin von mir mal eine gute Idee:
Sie lud fünf Freunde zu einem “Blind-Date-Essen” ein. Die Vorgabe: Jede/r muss zu dem Essen (Termin: drei Wochen später) jemanden mitbringen, den oder die er oder sie zum Zeitpunkt der Einladung noch nicht kennt. Stattfinden sollte das ganze im zur Zeit leerstehenden Haus der Eltern, das gerade renoviert wurde.
Die Partnerfindung war alleine schon ein Abenteuer, aber nichts im Vergleich zum eigentlichen Abend.
Ich hatte auf einer Premierenfeier im Schauspielhaus ein Mädchen gesehen, dass mich mit seiner Körpergrösse von knapp einzneunzig schwer beeindruckt hatte. Da ich selber einszweiundneunzig groß bin, habe ich gerne jemanden an der Seite, dem ich in die Augen schauen kann, ohne mich bücken zu müssen. Der Kontakt war über einen Freund schnell hergestellt, der sie aus der gemeinsamen Schulzeit kannte. Obwohl ich ihr im Schauspielhaus offenbar nicht aufgefallen war, sagte sie am Telefon doch spontan zu.
Die Gastgeberin lud jemanden ein, zu dem sie ebenfalls über einen gemeinsamen Freund Kontakt herstellen konnte. Einen Medizinstudenten.
Ein weiterer Freund schummelte und brachte ein Mädchen mit, auf das er schon seit einiger Zeit ein Auge in der Uni – er studierte Jura – geworfen hatte. Von uns wegen gewisser anatomischer Eigenarten nur “Milka” genannt.
Andere sprachen tatsächlich auch wildfremde Menschen auf der Strasse an, die sich sogar darauf einliessen.
Es gab ein feudales 7-Gänge-Menue in einem mit rotem Samt und großen Kerzenleuchtern dekorierten Raum.
Das erste Unglück ereignete sich gleich beim ersten Gang, der Suppe.
Ich habe mal eine Lehre gemacht, in der ich auch Kellnern gelernt habe und wollte es besonders gut machen. Ich kann nämlich eigentlich mit drei Tellern auf einer Hand servieren. Es gab Tomatensuppe und ich habe “Milka” einen ganzen Teller davon über den Kopf gekippt. Das muss hier reichen. Milka war sehr tapfer und hat sich fast nicht anmerken lassen.
Ich kann mich dann noch an hervorragende in Knoblauch gebackene Shrimps und das Mousse au chocolat erinnern.
Zum guten Essen guter Wein. Der Abend wurde später und die Sitzordnung geriet durcheinander.
Die Gastgeberin lag irgendwann knutschend auf dem Sofa. Der Typ, mit dessen Freundin sie knutschte guckte ganz bedröppelt und der Medizinstudent war vollkommen besoffen und brüllte immer “FICKEN!”.
Meine Begleitung habe ich nach diesem Abend nie wieder gesehen. Auch Milka ist nie wieder aufgetaucht. Aber ich halte das ganze immer noch für eine gute Idee!
“Nein Milliways, keine so gute Idee.
Sie befinden sich im Culinaricum, wir schätzten hier durchaus gute Geschichten.
Ansonsten sind wir Culinaricer aber ein bißchen seltsam. Wir lachen zum Beispiel erst über eine verschüttete Tomatensuppe, wenn wir wissen mit welchem Kräutlein Sie gewürzt, und ob mit oder ohne Sahne serviert. Wenn wir sieben Gänge hören, möchten wir alle sieben Gänge zumindest aufgezählt bekommen. Sowas bewegt uns hier und wir bekommen rote Bäckchen beim lesen. Wir sind hier so komisch, über Mousse au chocolat haben wir sogar einen eigenen Strang. Und guten Wein mögen wir. Verfickt gerne sogar, wenn wir nur wüßten welchen.es grüßt, augenzwinkernd, aus der Speisekammer, der Herr Uffelmann”
…um nicht ganz am Thema vorbei zu arbeiten, kann ich zu dieser Geschichte doch auch ein Rezept liefern:
Das Mousse au Chocolat war nämlich von mir. Und das Rezept stammt aus dem damals besten Restaurant Deutschlands: Dem Hotel vier Jahreszeiten.
Mein Großvater hatte 1916 eine Lehre als Koch noch beim “alten Herlin” im vier Jahreszeiten gemacht. Allerlei Erzählungen und die Bitte, doch mal nachzuschauen, ob denn im Salon im Parterre neben dem Kamin immer noch ein Loch in der Wand sei, durch dass die Ratten in die Räume gelangen, hatten mir ein wenig den Respekt vor der Institution “vier Jahreszeiten” genommen, so dass ich in einer Notlage pragmatisch handeln konnte.
In die Notlage bugsierte ich mich selber, als ich mit einem Freund eine Wette abschloss, in der es darum ging, wer das bessere Mousse au Chocolat machen würde. Der Freund war gelernter Koch und Konditor und ich hatte ein ganz einfaches Rezept aus dem “berühmten” G&U-Kochbuch “Kochen” einmal ausprobiert und fand es ganz OK. Mir war aber auch klar, dass das nicht reichen würde. Auf einem grossen Gartenfest sollten wir beide unsere Kreationen mitbringen und die anderen Gäste sollten entscheiden.
Also rief ich im vier Jahreszeiten an und ließ mich fix mit der Küche verbinden. Es meldete sich der Koch und ich fing an sehr wortreich und viel zu umständlich zu erklären, was ich wolle. In einer meiner Atempausen kam die Frage: “Wie viele Personen?”.
“Ähh, so zehn vielleicht?”
“OK: Ham Sie was zum Schreiben? –
5 Eigelb. warm und kalt schlagen,
dazu 100 gr. Zucker,
300 gr. Kuvertüre,
etwas Rum
und etwas Kaffee”,
“Was ist denn “warm und kalt” schlagen?”.
Sehr geduldig und auch etwas amüsiert wurde mir erklärt, wie ich das Eigelb auf dem Herd mit dem Schneebesen traktierte bis es heiss ist (“es darf aber nicht kochen! Sonst gerinnt es”) um es dann in einem kalten Wasserbad unter stetigem Schlagen wieder abzukühlen.
Dann sollte ich noch 3 Eiweiß steif schlagen, 50 gr. Zucker dazu und das Ganze unterrühren. Am Ende noch 500 gr. Schlagsahne unterrühren und alles in den Kühlschrank stellen.
Ich bedankte mich und ließ den Koch weiter an seinen Sternen brutzeln.
Beim besagten Gartenfest wurde dann nach einem ausgeklügelten System von den Gästen benotet. Und wenn ich statt Kaffeepulver kalten Kaffee genommen hätte, dann hätte es am Ende nicht 13:12 für den Koch und Konditor gestanden.